In Dänemark finden individuelle Biere aus kleinen Mikro- oder Haus-Brauereien mehr und mehr Fans. Der Trend ist landesweit – rund 100 „Mikro-Bryggerier“ liegen zurzeit zwischen Nordseeküste, Seeland und Bornholm.
Ein kurzer Blick genügt zur Orientierung: „Øl-salg“, bitte läuten, steht auf dem Schild des unscheinbaren Fabrikgebäudes. Bier-Verkauf ab Werk – mitten im dänischen Niemandsland an der wenig befahrenen Landstraße zwischen Nyborg und Fåborg im Osten von Südfünen. Doch die kleine Refsvindinge Bryggeri braut eines der beliebtesten Biere im Königreich – und das schon seit 1885.
Im Familienbetrieb von John Juul Rasmussen herrscht geschäftiges Treiben. Bierkisten und Paletten stapeln sich im Hof, Flaschen stehen herum, ein Gabelstapler fährt vorbei. Drinnen in der Brauerei laufen Zapfanlage und Etikettiermaschine. In der „Refsvindinge Brauerei“ ist immer etwas los.
Die Geschäfte gehen gut: Die hier gebrauten Biere stehen in Kopenhagener In-Lokalen ebenso hoch im Kurs wie auf dem Land. Ausgezeichnet im wahrsten Sinn des Wortes wurden Rasmussens Getränke auch schon. Das „Ale No. 16“ verließ schon 1997 einen dänischen Blindtest als Sieger. Und im selben Jahr wurde es sogar zum drittbesten der Welt gekürt. Das Geheimnis der Refsvindinge Bryggeri? Juul Rasmussen zögert nicht: Die richtigen Rohstoffe, gutes Wasser und „Liebe zum Bier“.
„Bryghuset“ steht auch in großen Buchstaben über dem Toreingang des alten Fachwerkgebäudes am Marktplatz des kleinen Fischerortes Svaneke auf Bornholm. Hier, in einem alten Vierkanthof von 1750, liegt eine weitere, kleine Brauerei. Fast am Ende der Welt. Zumindest aber am östlichsten Punkt des Königreiches von Regentin Margrethe II.
Der Durchgang führt zum Innenhof mit dem Svaneke Bryghus, der Brauerei von Svaneke. Restaurantchef Sebastian Frost erzählt: „Unsere Hausbrauerei eröffnete Anfang 2000, fast 50 Jahre nach der Schließung der letzten Brauerei auf Bornholm. Mit einem Erfolg, wie Svaneke Bryghus ihn heute hat, haben wir damals wahrlich nicht gerechnet.“
Die Idee, auf Bornholm wieder Bier zu brauen, hatte Brauereiinhaber Torben Stender. Ursprünglich sollte das Bier sein, war der Wunsch des geborenen Bornholmers, nach handwerklicher Tradition gebraut, nicht industriell und nicht in großen Mengen. Darunter auch ökologische Biere wie das „Øko Mørk Guld“.
Die Bornholmer Kultgetränke kommen so gut an, dass Svaneke Bryghus 2007 neue Brauanlagen baute. Das meiste davon wird gleich hier in den hauseigenen Schankräumen genossen. Einige Hektoliter des „kühlen Blonden“ verlassen allerdings die dänische Sonneninsel – zum Beispiel in Restaurants und Gaststätten mit Sinn für exklusiven Genuss in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen.
Aus der Leidenschaft weniger Genießer, wohlschmeckendes, frisches Øl – so das dänische Wort für Bier – direkt im Schatten des Braukessels zu genießen, bildete sich in den vergangenen Jahren ein dänischer Trend. Gab es 2000 nur eine Handvoll kleiner Brauereien, rechnen Branchenverbände heute mit etwa 100 sogenannten Mikro-Brauereien landesweit. Hinzu kommt etwa ein Dutzend größerer Produzenten wie der internationale Player Carlsberg Group.
Längst hat der Trend der Mikro-Brauereien auch Kopenhagen erreicht. Vorreiter der kultivierten Bier-Szene ist hier das Ende 2003 eröffnete Nørrebro Bryghus im Stadtteil Nørrebro. Die Mikrobrauerei in einem Fabrikgebäude von 1857 in der Ryesgade erlebte vom ersten Tag an einen regelrechten Besucheransturm.
Hinter dem Brauhaus steht Anders Kissmeyer, der 16 Jahre lang als Braumeister beim Weltkonzern Carlsberg tätig war. Die Ambitionen des Kopenhageners richten sich jetzt auf die Herstellung von qualitativ hochwertigem øl, nicht auf Massenware. Darunter sind Sorten wie das 5,3-prozentige Weizenbier Stuykmann Witt oder das indisch-inspirierte Bombay Pale Ale. Das vollmundige Getränk ist mit 6,5 Prozent Alkoholgehalt das stärkste Bier im Nørrebro Bryghus.
Kopenhagens erste Mikro-Brauerei ist Nørrebro Bryghus gleichwohl nicht. Denn schon seit 1999 braut die Bryggeriet Apollo im weltberühmten Vergnügungspark Tivoli ihren Gerstensaft – streng nach (deutschem) Reinheitsgebot, in einer 1989 in Ostdeutschland erworbenen Brauanlage.
Daran hält sich auch Tivolis klassisches Gasthaus: Der schon 1934 eröffnete Færgekroen braut etwa 4.000 Liter Bier pro Woche. Die Reifezeit von 21 Tage spielt dabei eine zentrale Rolle.
Sein Erfolg forderte eine Entscheidung: Mikkel Bjergsø musste sich etwas einfallen lassen, nachdem er 2005 mit seinem im Keller produzierten Bier mehrere Blindverkostungen in Dänemark gewonnen hatte. Die Nachfrage war da, nur Geld und Zeit waren Mangelware – eine Brauerei baut man nicht mal eben so! Eine eigene Anlage gibt es bis heute nicht, Mikkeller mietet weltweit Braukapazität. Es wird fleißig experimentiert, fast 1.000 Biere hat Mikkel schon kreiert, jedes mit einer besonderen Note.
Verkauft wird das Bier im Mikkeller Bottle Shop in den Torvehallerne in Kopenhagen und am Skt Knuds Torv in Aarhus. Nur 10% der Produktion wird übrigens in Dänemark getrunken, Mikkeller Bars gibt es weltweit. Besonders beliebt ist das Bier offenbar in Asien, aber auch in San Francisco, in Reykjavik und in Barcelona kann man in Mikkellers Bars sitzen und nette Leute kennenlernen.
Besondere Biersorten findet man aber auch an anderen, abgelegenen Orten Dänemarks. So hat sich Thisted Bryghus in Nordwestjütland auf die Herstellung von Öko-Bieren spezialisiert und ein besonderes øl kreiert: „Porse Guld“ erhält seinen einzigartigen Geschmack vom Heidekrautgewächs Porst aus den Wäldern der Umgebung.
Ausgehen mit „Bier“-Geschmack können Städtereisende auch in Dänemarks kleinen Metropolen. In der Limfjordstadt Aalborg bekommt man Ober- und Untergäriges mit dem gewissen Extra im Søgaards Bryghus am schönen C. W. Obels Plads mitten in der Altstadt.
Hier wie in den meisten dänischen Mikro- oder Hausbrauereien gilt übrigens, dass es alternativ zum Selbstgebrauten immer auch Kaffee oder Saft gibt. Und meist ein Restaurant, das auch im „Hauptgang“ Frische und Qualität bietet – passend zum kühl-frischen Øl.
Seit 1998 hält der Verein der dänischen Bierliebhaber, Danske Ølentusiaster, Reinheit und Biertradition in Dänemark hoch. Die Bierfans veranstalten auch das einmal jährlich stattfindende Bierfestival.